
«Coaching oder Beratung, was darf es sein?»
Beat Geiser : Eine Beratung kommt in denjenigen Bereichen zum Tragen, in denen cinfo über einen Informations- und Erfahrungsvorteil verfügt und daher eine klare Position einnehmen kann. Ein Coaching bietet hingegen Unterstützung in Situationen, in denen wir nicht über mehr Wissen verfügen als die Person, mit der wir sprechen. Diese Haltung spielt natürlich auch in der Laufbahnberatung eine gewisse Rolle, aber in geringerem Ausmass. Coaching und Beratung lassen sich nie ganz klar voneinander abgrenzen.
Daniel Glinz : Ergänzend lässt sich zum Coaching sagen, dass wir sehr oft Gefangene unserer eigenen Perspektiven sind. Unsere vorgefassten Meinungen und Überzeugungen schränken uns ein. Der Coach hat die Aufgabe, Menschen dabei zu unterstützen, ihre Überzeugungen zu hinterfragen und neue Perspektiven zu finden. Ist dieser Perspektivenwechsel erfolgt, geht es in einem zweiten Schritt darum, der betroffenen Person zu helfen, auf ihre eigenen Ressourcen zuzugreifen und sich der neuen Situation, in der sie sich befindet, zu stellen. Das gelingt beispielsweise, indem sie eine neue Position einnimmt.
BG : Da habe ich eine Gegenfrage: Was genau ist Ihr Anliegen?
DG : Stellen Sie sich vor, dass Sie ein Zimmer neu streichen möchten. Manchmal genügt es, die Wände anzuschleifen und einen neuen Anstrich aufzutragen, um ein befriedigendes Ergebnis zu erzielen. Aber oft entdecken Sie unter der Farbe Reste alter Tapeten oder stellen fest, dass der Verputz nicht mehr an der Wand haftet. In solchen Fällen benötigen Sie mehr Zeit. Vielleicht führt der Prozess sogar zu einer gründlichen Renovation.
BG : Und meistens ist es nützlich, vor der Renovation genau hinzuschauen, um herauszufinden, was überhaupt der Renovation bedarf. Das ist, was wir zu Beginn jeden Prozesses tun: Zusammen mit den Kundinnen
und Kunden herausfinden, um was es im Grunde genommen – also in der Tiefe – geht.
DG : Genau – und umgekehrt! Gewisse Personen haben bereits eine ziemlich klare Vorstellung von der Beratung, die sie benötigen. Zum Beispiel fragen sie: «Ich würde gerne in einem Kooperationsprojekt in Afrika mitarbeiten. Ist das mit meinem Lebenslauf möglich?» Im Verlauf unseres Gesprächs wird ihnen aber klar, dass ihre Idee nicht einer umfassenden Analyse der Situation entspringt. Dann kann der Prozess zum Coaching werden. Häufig geschieht es aber auch, dass eine Person nach einigen Stunden Coaching spezifische Ratschläge benötigt und wissen möchte, welcher Art von Organisation sie ihre Dienste anbieten kann.
BG : Inhalt und Methode unserer Gespräche richten sich immer nach den Themen, Fragen, Sorgen etc., welche die Kundinnen und Kunden einbringen. Zum Beispiel kommt eine Person mit der Frage zu uns, wie sie zu einer Anstellung bei der DEZA gelangen könnte. Als Berater und Coach bin ich da, um Struktur zu geben und Fragen herauszuarbeiten bzw. zu präzisieren. Das kann in diesem Fall heissen, dass ich die Aufmerksamkeit darauf lenke, was sich die Person konkret vorstellt, ob sie eine realistische Vorstellung des Alltags in dieser Organisation hat. Oder ich wechsle die Perspektive, indem ich frage, was sie denn bei der DEZA tun möchte.
Egal, ob sich eine Person ursprünglich für ein Coaching oder eine Laufbahnberatung angemeldet hat, in jedem Fall gilt: Wir suchen gemeinsam, wie sie am besten vorwärtskommt. Wir finden Wege, wie sich die Person aus blockierenden Widersprüchen befreien und erneut handlungsfähig werden kann.
BG : Sie können sich selbst folgende Fragen stellen: Was erwarten Sie davon? Wie ist das Verhältnis zu Ihren Vorgesetzten, wie die Kultur in der Organisation? Was befürchten Sie? Was könnte die Chance sein, das offen anzugehen?
DG : Manche Arbeitgeber scheinen zu befürchten, dass Mitarbeitende nur deshalb ein Coaching machen, weil sie ihre Stelle kündigen wollen. Doch das Coaching kann die Person durchaus auch dazu führen, sich in ihrer Organisation neu zu positionieren, indem sie beispielsweise eine Rolle einnimmt, die besser ihren Fähigkeiten und persönlichen Wünschen entspricht.
BG : Oder sogar, indem sie die bisherige Rolle besser erfüllt!
DG : Es ist klar, dass jeder gute Arbeitgeber motivierte und produktive Mitarbeitende anziehen und halten möchte. Aus diesem Grund bieten einige Organisationen – auch im Bereich der internationalen Zusammenarbeit – bereits Coaching-Sitzungen für ihre Mitarbeitenden an.
BG : Die Arbeitgeber sind sich vielleicht zu wenig bewusst, dass es diese Angebote bei cinfo gibt und dass diese nützlich sein können, bevor Mitarbeitende das Ende ihres Vertrags erreichen. Oder sie haben noch nicht Kenntnis von unserem Coaching zu Themen des Arbeitsalltags. Es gibt Situationen, die ohne Weiteres intern diskutiert und geklärt werden können. Manchmal ist aber ein Aussenblick und eine andere Perspektive sinnvoll.
BG : Das fände ich gut.
DG : Jede Massnahme, die der beruflichen Entwicklung und der Verbesserung der Kompetenzen dient, ist willkommen!
DG : Wir bieten auch Workshops für Gruppen zur gemeinsamen Reflexion an, zum Beispiel wenn es grössere Veränderungen, Umgestaltungen, Krisensituationen oder Reorganisationsbedarf in einer Organisation gibt. Oft ist es vorteilhaft, die Mitarbeitenden bei der Suche nach Lösungen einzubeziehen.
BG : Hier geht es auch darum, wie beschränkte Mittel am besten eingesetzt werden. Beratung und Coaching liefern wie andere Investitionen, ihren Ertrag erst über längere Zeit und deren nützliche Resultate treten oft auf unerwartete oder indirekte Weise zutage. Zum Beispiel können unsere Dienstleistungen zum gegenseitigen Vertrauen in der Organisation oder zu besserer Arbeit und zufriedenen Mitarbeitenden beitragen – und dadurch lohnend sein, obwohl sie anfangs (zu) teuer erscheinen.